Vom Tagebau zum Neuland: Die Zukunft von Hambach
Shownotes
Vom Tagebau zum Neuland: Die Zukunft von Hambach
Ab wann können wir endlich in den neuen Seen im Revier schwimmen? Das wollen wir von Boris Linden, Geschäftsführer der Neuland Hambach GmbH, wissen. Er entwickelt im Auftrag der Anrainerkommunen Pläne für die Zeit nach dem Ende des Tagebaus.
"Der Tagebau Hambach war darauf ausgelegt, bis 2045 zu laufen.“, erklärt Linden. „Durch den vorgezogenen Kohleausstieg und die Maßgabe, die Restbestände des Hambacher Forstes zu erhalten, macht der Tagebau Hambach gerade eine Vollbremsung. Er wird jetzt schon 2029 beendet und das ist für Braunkohleplanung einfach unvorstellbar schnell.“ Europas größte Braunkohlegrube erstreckt sich über 8.500 Hektar. Das ist etwa so groß wie die Fläche von Düren. Nach der Rekultivierung sollen daraus wieder lebenswerte Gebiete und attraktive Landschaften werden. Gleichzeitig geht es um die Stärkung der umliegenden Ortschaften und um die Schaffung von zukunftssicheren Arbeitsplätzen, die den Stellenabbau mit Ende der Braunkohleförderung kompensieren. Und auch die Natur soll genug Raum bekommen, um sich zu erholen. Die Herausforderung besteht darin, diese verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen.
Linden erläutert, dass der entstehende Sees bis 2070 befüllt werden soll. „Das hört sich erstmal wahnsinnig lang an“, so Linden, „aber, weil die Mulde eine Trichterform hat, geht es die ersten Jahre sehr schnell, sodass man ab 2040 schon eine Wasserfläche von 1200 Hektar und einen See von 200 Meter Tiefe hat.“ Ab dann, so verrät Linden, könne man den See tatsächlich nutzen, zum Beispiel für Wassersport.
Im Gespräch: Boris Linden, Geschäftsführer der Neuland Hambach GmbH Moderation: Torsten Knippertz
Link zum Podcast: www.revier-gestalten.nrw/podcast/neuland-hambach
Mehr zu „Revier.Geschichten“ und zum Strukturwandel im Rheinischen Revier: https://www.revier-gestalten.nrw
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Boris Linden: Man muss das einfach mal sagen. Der Tagebau Hambach war darauf ausgelegt, bis ins Jahr 2045 zu laufen und durch den vorgezogenen Kohleausstieg und durch auch die Maßgabe, die Restbestände des Hambacher Forstes zu erhalten, macht der Tagebau Hambach gerade eigentlich eine Vollbremsung. Und er wird eben im Jahr 2029 schon beendet und das ist für Braunkohleplanung ist das einfach unvorstellbar schnell.
Ton: Titelmusik der Revier.Geschichten
Torsten Knippertz: Hi und Hallo! Herzlich willkommen zu unseren Revier.Geschichten! Mein Name ist Torsten Knippertz und ich bin gespannt, was unser heutiger Studiogast zu berichten hat. Boris Linden ist Geschäftsführer der Neuland Hambach GmbH mit Sitz in Elsdorf. Seine Aufgabe ist es unter anderem, Teile des Rheinischen Reviers, nämlich die Landschaft im Bereich des Tagebaus Hambach, für die Zeit nach dem Ende des Braunkohleabbaus neu zu gestalten. Hambach soll dann ein Zukunftsraum werden. Aber wie? Dazu hat Boris Linden ganz konkrete Vorstellungen. Sein Traum, in wenigen Jahren oben an der Kante der Sophienhöhe im neuen Aussichtsturm zu sitzen und den Ausblick zu genießen. Hallo Herr Linden!
Boris Linden: Hallo!
Torsten Knippertz: Freue mich, dass Sie da sind. Sie sind gebürtiger Aachener und beschäftigen sich beruflich schon seit Jahren mit dem Strukturwandel des Rheinischen Reviers. Um was geht es denn konkret bei Ihrem Job als Geschäftsführer der Neuland Hambach GmbH? Was macht die Gesellschaft?
Boris Linden: Also die Neuland Hambach GmbH ist ein Tagebauumfeldverbund. Und wir haben ja im Rheinischen Revier drei große Tagebaue, Inden, Garzweiler und Hambach. Und es gibt um jeden dieser Tagebaue einen Tagebauumfeldverbund. Das heißt, da haben sich die Städte und Gemeinden, die um den Tagebau herum angesiedelt sind, zusammengetan und eine gemeinsame Gesellschaft gegründet, um die Tagebaufolgelandschaft und den Strukturwandel miteinander zu planen.
Torsten Knippertz: Also im Prinzip ist das ähnlich wie das, was wir schon in vorherigen zwei Folgen unseres Podcasts besprochen haben. Da ging es um Indeland und die Landfolge Garzweiler. Da waren Herr Mielchen und Frau Zeimetz zu Gast hier. Da habe ich erfahren, was alles im direkten Umfeld der beiden anderen Tagebaue geplant ist. Das war schon spannend. Deswegen bin ich jetzt sehr froh zu hören, was denn bei Hambach geplant ist. Mit welchen Kommunen arbeiten Sie da zusammen?
Boris Linden: Also wir haben sechs Gesellschafter-Kommunen. Das sind Elsdorf und Kerpen im Rhein-Erft-Kreis und dann Merzenich, Niederzier, Jülich und Titz im Kreis Düren.
Torsten Knippertz: Sechs. Das macht es wahrscheinlich nicht einfacher, oder?
Boris Linden: Ja, aber wir kommen gut miteinander zurecht. Wir haben ja auch ein gemeinsames Ziel und deswegen funktioniert das wunderbar.
Torsten Knippertz: Ja, das ist auch eine riesige Fläche, die nach dem Kohleausstieg neu entwickelt und umgestaltet werden muss. Wer gibt die Rahmenbedingungen vor und bestimmt, was zu tun ist?
Boris Linden: Also es ist schon ein komplexes Akteursnetzwerk, das muss man einfach sagen. Wir wollen für uns eine interkommunale Planung machen. Und bei den Kommunen liegt eigentlich ja auch die Planungshoheit. Das heißt, das sind die Akteure, die sich zusammentun sollten, um eine gemeinsame Planung für diesen Raum zu verabreden. Aber es gibt natürlich Rahmenbedingungen, die übergeordnete Planung sozusagen, die Regionalplanung und die Braunkohleplanung, die dann jeweils in Köln von Gremien wie dem Regionalrat und dem Braunkohlenausschuss verabschiedet werden und derzeit auch neu aufgestellt werden. Das sind unsere Rahmenbedingungen. Also, wie soll der See aussehen? Wo sollen landwirtschaftliche Flächen entstehen? Wo sollen Grünzüge entlanglaufen? Das sind die Rahmenbedingungen, die von der übergeordneten Planung kommen. Und wir stimmen uns jetzt interkommunal ab, um unser Bild zu entwerfen und bringen unser Bild dann in die übergeordnete Planung mit ein.
Torsten Knippertz: „Der See“, ich höre schon, auch da geht es später um einen See, werden wir auch nochmal näher darauf eingehen. Jetzt haben wir eben über Indeland und die Landfolge Garzweiler gesprochen. Sprechen Sie auch manchmal mit den Kolleginnen und Kollegen und können mir vielleicht sogar sagen, was bei Hambach anders ist als bei den anderen Tagebauen?
Boris Linden: Ja, wir sprechen sehr viel miteinander, da bin ich sehr dankbar. Ich muss auch dazusagen, Neuland Hambach ist der jüngste Tagebauumfeldverbund. Wir sind erst vor knapp drei Jahren gegründet worden. Die Kollegen in der Landfolge und vor allen Dingen im Indeland sind schon ein bisschen länger unterwegs und ich konnte in der Gründungszeit und Anfangszeit viel lernen von den Kolleginnen und Kollegen. Wir haben auch Überschneidungen und Gemeinsamkeiten, was die Gesellschafter-Kommunen angeht. Denn beispielsweise Jülich und Niederzier sind sowohl Gesellschafter im Neuland Hambach als auch im Indeland, weil sie eben an beiden Tagebauen liegen. Und die Landgemeinde Titz ist Gesellschafter bei uns genauso wie in der Landfolge Garzweiler. Vor allen Dingen eint uns aber natürlich, dass wir alle demselben Ziel verpflichtet sind, nämlich, aus den Tagebauen Zukunftsräume zu machen und möglichst frühzeitig vielfältige Entwicklungsperspektiven zu entwickeln. Und deswegen ist es gut, wenn wir uns unterhaken können, auch gegenüber dem Land, gegenüber RWE mit einer Stimme sprechen, um da eine größere Bandbreite auch aufbringen zu können. Was so die Unterschiede angeht, also ich glaube, jeder Tagebau, jede Folgelandschaft, die gerade geplant wird, hat ihre Eigenheiten, ihre Besonderheiten. Man sagt ja immer „Talente“ heutzutage dazu. Aber es gibt dann auch einfach Unterschiede bei uns. Insbesondere ist es so, der Tagebau Hambach ist der größte Lockergesteinstagebau Europas, sozusagen das tiefste Loch mit über 400 Metern. Und daneben ist dann eben die Abraumhalde Sophienhöhe, also diese Topographie, die ist schon eine besondere bei uns, weil wir einerseits diese 400 Meter Tiefe im Tagebau haben und dann fast 300 Meter Höhe daneben. Wir sind ja eigentlich in einer recht flachen Bördelandschaft hier. Und da ist diese Sophienhöhe als Halde schon eine besondere Landmarke in der Region geworden, die man von allen Seiten des Reviers ja gut sehen kann. Und darüber hinaus glaube ich, dass unser Tagebau auch ein besonders grüner ist, weil wir eben diese Sophienhöhe auf der einen Seite haben und dann die alten Waldbestände auf der anderen Seite mit dem Hambacher Forst, der Steinheide und dem Merzenicher Erbwald. Und das ist schon eine Besonderheit, die Hambach auszeichnet.
Torsten Knippertz: Also das ist ein großer Unterschied und das Eine haben Sie ja auch eben angesprochen, das Ausstiegsdatum wurde ja sowieso lange diskutiert, da hatte man nicht so viel Planungssicherheit für - aus Ihrer Sicht wahrscheinlich, oder?
Boris Linden: Ja, das ist jetzt das, was uns tatsächlich unter Druck setzt, dass es alles so schnell geht, der vorgezogene Kohleausstieg. Man muss das einfach mal sagen. Der Tagebau Hambach war darauf ausgelegt, bis ins Jahr 2045 zu laufen und durch den vorgezogenen Kohleausstieg und durch auch die Maßgabe, die Restbestände des Hambacher Forstes zu erhalten, macht der Tagebau Hambach gerade eigentlich eine Vollbremsung. Und er wird eben im Jahr 2029 schon beendet und das ist für Braunkohleplanung ist das einfach unvorstellbar schnell, denn dahinter liegt ja eine ganze Reihe von betrieblichen Planungen, die darauf abgestellt werden muss. Und das ist gar nicht so einfach.
Torsten Knippertz: Ich greife mal eine Zahl auf. Sie haben gerade 45 gesagt, 2045 zwar, aber ich bleibe mal bei der 45. Im letzten Oktober, also vor einem knappen Monat ungefähr, da hat sich das ganze ja gejährt, seit Jahrzehnten. Nämlich genau seit 45 Jahren, haben die Menschen im Hambacher Tagebau dann hart gearbeitet und ganz Deutschland zuverlässig mit viel Energie beliefert. Das hat die Menschen in der Region wahrscheinlich ja auch geprägt?
Boris Linden: Ganz sicher. Also Sie haben recht, 1978 ist der Tagebau aufgeschlossen worden, also genau 45 Jahre alt in diesem Jahr – genau wie ich übrigens. Ich bin genauso alt wie der Tagebau. Und das ist so, dieser Raum ist seit dieser Zeit… also der Tagebau hat im Prinzip wie eine Raumbarriere gewirkt, hat Verbindungswege gekappt, hat Straßen, auch Schienenverbindungen weggenommen, hat Beziehungen zwischen den Ortschaften ja dann dadurch auch schwieriger gemacht. Und unsere Aufgabe ist, das jetzt wieder umzukehren, daraus wieder einen Verflechtungsraum zu machen, der neu erschlossen wird und die Beziehungen wieder zu stärken sozusagen.
Torsten Knippertz: Das soll ja auch genauso sein. Das sind dann Veränderungen, die eigentlich Freude hervorrufen sollten, solche Chancen. Aber Veränderungen sind ja grundsätzlich beim Menschen auch immer mit gewissen Ängsten verbunden, Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Oder manchmal kann man sich einfach gar nicht vorstellen, was nach der Braunkohle kommen soll. Da kommen ja wahrscheinlich auch Menschen zu Ihnen mit diesen Sorgen, Ängsten, vielleicht auch Fragen. Was sagen Sie denen?
Boris Linden: Ja, ich glaube, dass wir jetzt einen gesellschaftlichen Konsens gefunden haben. Und der wird von den allermeisten Teilen ja auch nicht mehr in Frage gestellt. Und jetzt kommt es darauf an, damit zu arbeiten und daraus wieder eine gute Entwicklung zu machen. Es ist so, mit dem Tagebau…oder mit der Beendigung des Tagebaus wird Wertschöpfung, werden Arbeitsplätze verloren gehen. Es wird auch ein Stück weit an Energiesicherheit, an einer großen Menge installierter Leistung dadurch verloren gehen. Und wir werden unseren Beitrag leisten vor Ort, dies auch zu kompensieren, indem wir neue Perspektiven schaffen, Möglichkeiten für neue Arbeitsplätze und neue Wertschöpfung und auch neue installierte Leistung - dann aber mit erneuerbaren Energien.
Torsten Knippertz: Und nicht nur mit Energien, sondern Stichworte, die auch immer wieder fallen, wenn es um diese neuen Zukunftsräume geht, die da geplant werden oder dann auch umgesetzt werden, sind Erholung, Kreativität. Das ist bei Hambach wahrscheinlich nicht anders.
Boris Linden: Das ist so, weil dieser Raum natürlich ganz viel Potenzial bietet. Die Sophienhöhe ist schon jetzt ein Ort, der unheimlich stark aufgesucht wird von Erholungssuchenden, Naherholungssuchenden, der auch ein Potenzial hat, mit einem sanften Tourismus noch weiterentwickelt zu werden für Menschen, die genau den Weg ins Grüne suchen, die Artenvielfalt, die dort entstanden ist, eben auch zu genießen. Künftig kommt der See dazu. Die Möglichkeit, nahe am See qualitätsvoll zu wachsen, das bietet dieser Raum und diese Chancen sollten wir dann auch nutzen.
Torsten Knippertz: Wir sprechen gleich darüber, was konkret geplant ist. Aber vorher wollen wir noch ein bisschen über Sie persönlich erfahren, wie Sie zum Thema Strukturwandel gekommen sind. Als gebürtiger Aachener, echter Öcher sozusagen, sind Sie ja mit den Themen der Region sowieso hier vertraut, oder?
Boris Linden: Ja, wir sind eine große Region, das Rheinland. Und damit war mir schon bekannt, was hier in der Region passiert. Und ich habe auch beruflich schon einige Zeit damit zu tun. Ich habe bei der Industrie- und Handelskammer in Aachen gearbeitet, bin dort tatsächlich dann auch Referent für das Rheinische Revier geworden. Und in den Anfängen der Debatte über einen vorgezogenen Kohleausstieg gab es eben die Gründung der Zukunftsagentur Rheinisches Revier, die diese ersten Vorarbeiten dann leisten sollte. Man muss ja dazusagen, das Rheinische Revier ist keine wirklich gelernte Region und vielfach haben die Netzwerke zwischen, ich sage mal, der Städteregion Aachen und dem Rhein-Kreis Neuss noch gar nicht so sehr existiert, sodass man da erstmal Netzwerke legen musste, um dann in eine gemeinsame programmatische Arbeit einsteigen zu können. Und dann bin ich gewechselt von der Industrie- und Handelskammer in die Zukunftsagentur. Das war allerdings noch vor dem beschlossenen Kohleausstieg. Wir haben damals immer gesagt, das ist ein bisschen Politik ohne Geld, denn die Strukturmittel standen noch nicht zur Verfügung. Aber jetzt, seit der vorgezogene Kohleausstieg dann auch final beschlossen ist, habe ich mich dann dem Neuland Hambach zugewendet.
Torsten Knippertz: Ja, und jetzt lernt man ja auch immer mehr den Begriff „Rheinisches Revier“. Der kommt einem immer mehr unter, ob man es jetzt liest oder ob man es, wie in diesem Podcast, immer häufiger hört. Mittlerweile lernen das viele Menschen. Aber durch die Arbeit bei der Zukunftsagentur da sind Sie ja vertraut mit den Plänen und Abläufen dort. Also das sind ja ganz gute Voraussetzungen, um konkrete Pläne für die Praxis zu entwickeln. Hat Sie irgendjemand dann angeworben, von der Zukunftsagentur Geschäftsführer zu werden bei der Neuland Hambach GmbH oder wie ist das abgelaufen?
Boris Linden: Genau. Die sechs Bürgermeister der Anrainerkommunen rund um den Tagebau Hambach haben vorher natürlich schon informell sehr eng miteinander gearbeitet. Ich durfte diese Arbeit unterstützen, ein erstes Drehbuch für die Entwicklung des Tagebaus zu schreiben. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir aber noch nicht, inwieweit wird sich der vorgezogene Kohleausstieg auf Hambach auswirken? Und mit der Leitentscheidung, die dann damals getroffen wurde, mit dem Kohleausstieg, durch die Kommission in Berlin war dann klar, dass sich alle Rahmenbedingungen für Hambach ändern würden, dass im Prinzip ganz neu geplant werden müsste. Und dann war für die Bürgermeister auch klar, wir müssen die informelle Zusammenarbeit formalisieren und eine Gesellschaft gründen. Und dann bin ich gefragt worden und ich habe nicht lange überlegt, ich habe sofort „Ja“ gesagt.
Torsten Knippertz: Ich habe sofort „Ja“ gesagt. Das ist gut. Sie sagen auch „wir“. Sie meinen wahrscheinlich nicht nur sich und die Bürgermeister, Bürgermeisterinnen, sondern auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Ihnen?
Boris Linden: Ja, das ist eine Teamleistung und anders wäre das auch gar nicht zu bewerkstelligen. Ich habe mittlerweile ein eigenes Team aufbauen können in der Neuland Hambach. Wir sind acht Köpfe, ein kleines Team. Aber das Team ist auch noch größer. Denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltungen der sechs Gesellschafter-Kommunen bilden mit uns eine schlagkräftige Truppe, die diese Aufgabe gemeinsam bewältigt.
Torsten Knippertz: Wie ist das denn eigentlich? Alle Branchen jammern ja und suchen Fachkräfte. Wie ist das in Ihrer Branche? Wie ist das bei Ihnen? Ist das schwierig, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden?
Boris Linden: Ja, man muss sich ja schon vorstellen, dass wir, also die Tagebauumfeldverbünde, die Kommunen, auch die Bezirksregierung, zum Teil auch die Ministerien, wir schreiben ja eigentlich alle gleichzeitig dieselben Stellenprofile aus, und deswegen ist der Markt einfach auch eng. Und das muss man so konstatieren, das ist nicht leicht. Aber die jungen Frauen und Männer, die man dann findet, die sind aufgrund der Aufgabe und dieser Herausforderung, der Spannung, die damit verbunden ist, eben hochgradig motiviert. Und das spüren wir in der Arbeit, dass man… es ist vielleicht nicht leicht ein Team aufzubauen, aber, wenn man es zusammen hat, dann hat man eine tolle Truppe.
Torsten Knippertz: Die Herausforderung, das stimmt. Es ist keine leichte Aufgabe, aber vielleicht auch das Besondere an diesem Projekt – Fragezeichen. Was hat Sie denn persönlich gereizt, dann diese Stelle anzunehmen? Sie haben eben gesagt, ich habe sofort „Ja“ gesagt.
Boris Linden: Ja, weil ich auch mal wechseln wollte. Bei der Zukunftsagentur wird ja der Förderrahmen, also das Regulatorische, die Governance sozusagen, aufgestellt, das Wirtschafts- und Strukturprogramm geschrieben. Das sind alles auch spannende Aufgaben, aber ich wollte jetzt die Seiten wechseln und konkrete Projekte entwickeln und sozusagen Antragsteller werden bei der Zukunftsagentur und beim Land, um Fördermittel einzuwerben und konkrete Projekte auf die Straße zu bringen.
Torsten Knippertz: Was sehen Sie als größte Herausforderung bei diesem Gesamtprojekt Neuland Hambach an?
Boris Linden: Oh, das sind viele Herausforderungen. Es ist gar nicht so leicht, da eine herauszugreifen. Ich habe eingangs gesagt, wir stehen unter einem unglaublichen Zeitdruck, diese Planprozesse jetzt auch schnell zu einem Abschluss zu bringen. Das auf der einen Seite kontrastiert ja ein bisschen mit der allgemeinen Wahrnehmung, dass man noch bis ’29 [2029] Zeit hat, bis der Tagebau beendet wird. ’30 [2030] fängt dann die Einleitung des Wassers in den künftigen Tagebausee an und das dauert dann 40 Jahre, bis der voll ist. Da hat man ja unglaubliche Zeiträume vor sich. Und trotzdem müssen wir jetzt in diesem Jahr 2023, im kommenden Jahr 2024 weitreichende Entscheidungen vorbereiten und treffen und stehen deswegen unter einem großen Zeitdruck. Das ist gar nicht leicht zu vermitteln als Aufgabe. Und dann ist es, glaube ich, – ich habe mein Team in Neuland Hambach angesprochen, das ist ein tolles Team… Aber trotzdem sprechen wir ob der Fülle der Aufgaben immer noch von begrenzten Ressourcen, sowohl personell als auch finanziell, um das wirklich alles in der gebotenen Geschwindigkeit hinzubekommen.
Torsten Knippertz: Und damit es dann am Ende auch – ich sage in Anführungsstrichen – „schön“ ist oder damit diese Rekultivierung auch gelingt, damit dieser Zukunftsraum auch lebenswert ist, damit die Chancen, die sich da jetzt bieten, auch genutzt werden. Ist denn eigentlich RWE gar nicht gesetzlich verpflichtet, für die Rekultivierung mit zu sorgen?
Boris Linden: Doch und das wird der Braunkohleplan, der derzeit verändert wird, auch festschreiben, die Rekultivierungsverpflichtungen, die Wiederherstellungsverpflichtungen für RWE. RWE macht das ja auch. Wenn man heute über die Sophienhöhe spaziert, dann sieht man, dass das auch in vorbildlicher Art und Weise geschieht. Da ist ein toller Raum entstanden. Trotzdem sagen die Verpflichtungen im Braunkohleplan gar nicht so viel aus. Die Ziele betreffen den See, der hergestellt werden muss und funktionieren muss. Sie betreffen landwirtschaftliche Flächen, die hergestellt werden müssen, und sonstige Rekultivierungen. Aber wir sprechen über einen Raum von 8.500 Hektar. Das ist eine sehr, sehr große Fläche. Ich will mal ein Bild geben, die Gesamtfläche der Stadt Düren ist in etwa so groß. Jetzt gilt es, diesen Raum dann mit zusätzlichen Zielen eben auch lebenswert zu machen. Und dafür ist dann nicht mehr RWE verantwortlich, sondern dafür sind wir Kommunen, also die Gemeinschaft, die interkommunale Gemeinschaft der Neuland Hambach verantwortlich, hier einen Plan zu entwickeln für weitere Ziele, die den Raum lebenswert machen, diese dann auch umzusetzen und zu betreiben.
Torsten Knippertz: „Plan“ ist ein gutes Stichwort. Wie versprochen gehen wir gleich auf konkrete Pläne noch ein. Vorher aber kommen wir zu unserer Rubrik „Kurz und knackig“ hier bei uns im Podcast Revier.Geschichten. Dazu gleich drei Fragen mit der Bitte, die möglichst kurz und knackig – deswegen heißt das so – zu beantworten. Als gebürtiger Aachener, was ist Ihr Lieblingsgericht, typisch für die Region?
Boris Linden: Also als Aachener müsste ich jetzt sagen, Puttes. Das ist angebratene Blutwurst. Aber mein Lieblingsgericht… Ich bin leidenschaftlicher Griller! Die Grillsaison ist jetzt zu Ende, aber ich grille für mein Leben gerne.
Torsten Knippertz: Jetzt soll es eigentlich kurz und knackig sein. Ich frage aber trotzdem nochmal nach, weil ich auch Puttes schon mal gehört, nachgeguckt habe, aber dann nicht mit Blutwurst, sondern mit Mettwurst?
Boris Linden: Das kenne ich nicht. Ich kenne das mit Blutwurst.
Torsten Knippertz: Okay. Aber Apfelmus auch dabei?
Boris Linden: Ja.
Torsten Knippertz: Ja, das gehört dazu. Frage Nummer zwei. Was trinken Sie denn dann gern dazu?
Boris Linden: Also sowohl zum Grillen als auch zur Puttes ein Bier.
Torsten Knippertz: Oh, da gibt es ja auch einige schöne kleinere Brauereien mittlerweile.
Boris Linden: Das finde ich ganz fantastisch, dass es mittlerweile so eine Craft Beer-Szene gibt und überall eigentlich interessante neue Biere entstehen. Es ist etwas für Feinschmecker, sich da mal durchzutesten.
Torsten Knippertz: „Bier aus dem Revier“, demnächst. Ihr Lieblingsort im Rheinischen Revier?
Boris Linden: Ja, also ich träume tatsächlich davon, oben auf der Sophienhöhe demnächst mal einen Kaffee zu trinken, die Aussicht zu genießen. Da gibt es diesen Ort, die Goldene Aue, und an diesem Ort soll ein Besucher- und Informationszentrum entstehen, das wir gerade planen zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen der Gemeinde Niederzier, und das ist ein Ort, der einen fantastischen Ausblick verspricht auf das Revier und auf den entstehenden See. Und ich glaube, das ist ein Ort, der zum Träumen einlädt.
Torsten Knippertz: Kann ich bestätigen. Es gab in der Vergangenheit schon häufiger Menschen hier in unserem Podcast, die von der Sophienhöhe geschwärmt haben. Und ich als gebürtiger Mönchengladbacher habe gesagt, „mea culpa, war ich noch nie“. Zwischendurch habe ich das jetzt nachgeholt und es lohnt sich definitiv. Also die Sophienhöhe soll noch schöner werden, auch wenn man es sich manchmal gar nicht vorstellen kann. Toller Ort auf jeden Fall. Kommen wir zurück zu Ihrer Aufgabe als Geschäftsführer bei Neuland Hambach! Allen dürfte inzwischen klar sein, die Restrukturierung des Tagebaugebiets ist eine Jahrhundertaufgabe. Das ist auch hier in unseren ersten Minuten im Podcast schon klargeworden. Arbeit, Leben, Infrastruktur werden neu definiert, eine ganze Region erfindet sich dabei neu. Und jetzt wollten wir ja konkret werden. Welche Pläne haben Sie? Welche Projekte liegen auf Ihrem Schreibtisch?
Boris Linden: Eine ganze Menge. Also, man muss das ja mal erklären. Ich habe gesagt, wir machen eine interkommunale Planung, die nennt sich Rahmenplan. Das heißt, da stimmen wir sechs Kommunen miteinander ab, wie dieser Raum aus unserer Sicht aussehen soll, das bringen wir in übergeordnete Pläne ein und können dann von diesem Plan ableiten, eine ganze Matrix von Projekten, die zu der gegebenen Zeit dann in die Umsetzung gebracht werden müssen. Ich kann vielleicht mal ein paar von diesen Projekten herausgreifen, die gerade uns aktuell beschäftigen. Da ist zum Beispiel das Projekt Einleit-Bauwerk. Da geht es darum, dass derzeit eine Pipeline geplant und dann hoffentlich auch bald gebaut wird, die eben Rheinwasser zu den beiden Tagebauen in Garzweiler und Hambach führen soll, damit mit diesem Wasser dort die Tagebauseen entstehen können. Das heißt, ab dem Jahr 2030 wird das Rheinwasser mit 13 Kubik pro Sekunde in dieses Loch hineingeleitet…
Torsten Knippertz: Das hört sich viel an.
Boris Linden: …über ein Bauwerk, das 3,4 Kilometer lang ist und die Böschungen hinunterführt in einem Wechsel von Rohrleitungen und offenem Gerinne und eben das Wasser dort hineinführt. Und wir glauben, dass das ein ganz besonderer Ort ist, weil da über die nächsten 40 Jahre hinweg eben die Landschaft verändert wird und ein See entsteht. Und da wollten wir eben nicht einen Zaun drum herum bauen und diesen Raum für unzugänglich erklären, sondern wir haben gesagt, der muss offen sein. Da müssen Menschen hingehen können und sollen diesen Wandel erleben. Das ist natürlich nicht trivial, denn da sind insbesondere sicherheitliche Aspekte jetzt zu beantworten. Und daran arbeiten wir, also, wie können wir diesen Raum zugänglich machen, um in den nächsten 45 Jahren dann eben die Möglichkeit zu schaffen, hier diesen Landschaftswandel vor Ort tatsächlich zu erleben.
Torsten Knippertz: Und wie kann man das machen? Das wäre nämlich auch meine erste Frage gewesen. Das hört sich an, als wenn das nicht ganz ungefährlich ist, wenn das einfach so da rumfließt, das Wasser.
Boris Linden: Ja, das ist jetzt zu klären in dem Prozess. Wir wollen eine Begehbarkeit dieser Anlagen herstellen, sodass man eben immer da, wo das mit Rohrleitungen unterirdisch verlegt wird, dann einen kreuzenden Weg hätte, der dann wieder herumführt und dann an dem offenen Gerinne entlangführt, so dass man das Wasser sieht und hört und spürt und dann auf diese Art und Weise diese 3,4 Kilometer bis zum Wasser hinuntergehen kann.
Torsten Knippertz: Also, das heißt, wie so ein Wanderweg immer wieder mit Wasserfällen unterbrochen?
Boris Linden: Richtig, genau. Gutes Bild!
Torsten Knippertz: Das hört sich gut an! Und Sophienhöhe habe ich eben gesagt, die soll noch schöner werden. Gibt es da auch konkrete Pläne schon?
Boris Linden: Ja, und die Sophienhöhe ist sicher ein toller Ort, weil er ja schon weitestgehend oder sie ja schon weitestgehend endgestaltet ist. Das heißt, dort müssen wir auch nicht mehr so lange warten, bis wir bergrechtlich tatsächlich auch mal bauen und planen können. Wir würden gerne die Sophienhöhe erschließbar machen, von allen Seiten. Wir brauchen Aufgänge, von jeder Himmelsrichtung sozusagen. Und wir wünschen uns an dem Gipfel der Sophienhöhe einen Aussichtsturm, der tatsächlich auch mal den 360-Grad-Blick rund ums Rheinische Revier, also auch zu den anderen Tagebauen in Garzweiler und in Inden, ermöglicht. Wir haben jetzt ein Struktur- und Nutzungskonzept für die Sophienhöhe entwickelt, mit einem Leitbild, das eben Nutzungsschwerpunkte festlegt, für eine sanfte touristische Inwertsetzung, aber auch festlegt, dass die größten Teile eben weitestgehend auch unberührt bleiben. Denn dort ist eine tolle Natur entstanden und die soll auch weitestgehend ungestört sich weiterentwickeln können.
Torsten Knippertz: Manche Sachen möchte man gar nicht berühren, manche darf man ja auch gar nicht berühren. Da rede ich jetzt gar nicht so sehr von Natur als vielmehr von denkmalgeschützten Gebäuden. Die gibt es ja auch noch zahlreich.
Boris Linden: Das ist ein Stichwort, das ich gerne aufgreife. Wir haben tatsächlich dann auf der anderen Seite, da sind wir auf Kerpener Gebiet, in dem Ort Manheim-Alt, der leer gezogen ist und umgesiedelt wurde, die Situation, dass hier die Kirche des Ortes stehen bleiben wird, während der Rest des Ortes schon weitestgehend niedergelegt ist und dann auch noch im Tagebau verschwinden wird. Die Kirche jedoch, die wird stehen bleiben direkt am künftigen Seerand und sie gilt es jetzt mit einem neuen Profil zu entwickeln. Die Kirche steht unter Denkmalschutz. Das heißt, wir müssen uns ein Konzept, ein tragfähiges Konzept überlegen und die Kirche dann entsprechend in Wert setzen.
Torsten Knippertz: Ja, viele Pläne, die man umsetzen muss, Sachen, die man bedenken muss, die man vielleicht auch auf einmal neu bedenken musste, nachdem sich die Pläne geändert haben. Ich denke da zum Beispiel auch an Morschenich, Morschenich-Alt, ein Ort, der jetzt doch nicht mehr bergbaulich in Anspruch genommen wird. Dafür gibt es wahrscheinlich auch Pläne.
Boris Linden: Auch dafür gibt es Pläne in Entwicklung. Also es ist nicht so, dass wir schon mit allem fertig wären. Morschenich-Alt ist sicherlich im Tagebauumfeld einer der spannendsten Orte, weil es ein kompletter Ort ist, der erhalten bleibt. Und das gibt es nicht oft auf der Welt. Ein fast leer gezogener Ort, der jetzt unter einem neuen Leitbild wiederbelebt werden soll und einer neuen Entwicklung zugeführt werden soll. Und das machen wir sehr solide, gemeinsam mit der Gemeinde, die hier natürlich die Federführung hat, Gemeinde Merzenich. Und wir wollen es aber einbetten in ein größeres Ganzes, in das Gesamtbild der Tagebauentwicklung. Denn es wird ja dann irgendwann mal ein Ort in der 1A-Lage direkt am See und soll sich entsprechend entwickeln können.
Torsten Knippertz: Aber auch das finde ich spannend für die Menschen, die dort gewohnt haben und vielleicht umgezogen sind in den neuen Ort, der ja dann jetzt Morschenich heißt, zu sehen, was geschieht mit dem alten Ort. Wird er zum Beispiel Morschenich-Alt heißen oder… Wird das so bleiben? Gibt es einen neuen Namen? Also das sind alles Fragen, die wahrscheinlich auch die Menschen bewegen.
Boris Linden: Na klar, weil mit dem Namen natürlich auch viel verbunden ist. Ich gehe davon aus, dass in Merzenich die politische Entscheidung getroffen wird, dass dieser Ort nicht mehr Morschenich-Alt heißen wird, denn er soll jetzt unter einem neuen Leitbild neu entstehen. Und es gibt die Chiffre „Bürgewald“, und das ist die Idee, unter diesem Namen den Ort neu zu entwickeln. Und dann müsste Morschenich-Neu auch nicht mehr Morschenich-Neu heißen, sondern könnte einfach wieder Morschenich sein.
Torsten Knippertz: Okay, und der Hambacher Forst ist ja bekannt unter dem Namen Bürgewald bzw. Bürge, oder?
Boris Linden: Ja, dort waren die Bürgewälder und deswegen ist der Name passend gewählt, denn Bürgewald, der Ort, wird eben zwischen dem Merzenicher Erbwald und dem Hambacher Forst sein - Wälder, die ja auch zu verbinden und zu vernetzen sind. Und deswegen passt der Name gut.
Torsten Knippertz: Ich nehme das jetzt mal konkret als Beispiel für andere Orte vielleicht. Das soll ja dann ein, auch wenn es Morschenich-Alt hieß, ein Ort der Zukunft werden. Was geschieht dann da?
Boris Linden: Ja, „Ort der Zukunft“ ist das Label, das die Leitentscheidung von 2021 schon diesem Ort gegeben hat. Die Leitentscheidung aus diesem Jahr hat da jetzt ja auch noch in Garzweiler Orte so definiert. Und diese Orte werden zunächst mal vom Planungsrecht und dann auch vom Förderrecht besonders begünstigt, um eine solche Entwicklung, die dem Titel „Ort der Zukunft“ gerecht wird, dann auch zu ermöglichen. Das ist jetzt die Aufgabe der nächsten Wochen und Monate, hier die entsprechenden Masterpläne, städtebaulichen Masterpläne aufzustellen, die zeigen, unter welchem Leitbild das geschehen kann und dann das sowohl planungsrechtlich als auch fördertechnisch möglich zu machen.
Torsten Knippertz: Aber das habe ich jetzt schon richtig verstanden, das soll dann ein wirklicher Ort zum Wohnen werden, nicht ein Freilichtmuseum?
Boris Linden: Nein, das soll ein Ort werden, in dem gelebt, gearbeitet wird und in dem wieder eine neue dörfliche Kultur und Struktur und Gesellschaft entsteht. Wir wollen „Dorf“ neu denken an dieser Stelle und wollen das eben auch zeigen, dass dörfliches Leben zukunftsfähig ist. Das wird uns dort gelingen.
Torsten Knippertz: Das sind schon sehr konkrete Pläne, aber die wollte ich ja auch hören. Und der See ist auch ein konkreter Plan bzw. die Seen in den Tagebauen sind konkrete Pläne. Das soll ja mit Wasser aus dem Rhein geflutet werden, das Loch. Jetzt frage ich mal ein bisschen provokativ, ist das eine gute Idee, wenn der Wasserstand im Sommer jetzt schon oft für die Schifffahrt zu niedrig ist?
Boris Linden: Ja. Es ist erstmal eine alternativlose Idee, denn es gibt keine Alternative dazu, die Tagebaue mit Wasser zu befüllen. Also den Abraum haben wir nicht, um sie wieder komplett mit Erde zu verfüllen. Und dadurch, dass wir ja rund um die Löcher das Grundwasser absenken, sollten wir alles dafür tun, den Grundwasserhaushalt wieder auf Normalniveau zu bringen nach dem Tagebau. Und das ermöglicht… oder das können wir ermöglichen, indem wir daraus Seen machen, die dann ja viele Perspektiven für die weitere Entwicklung bilden. Und jetzt kommt in jedem Sommer – und das kann ich auch gut nachvollziehen – die bange Frage, wird das Wasser vom Rhein denn reichen. Denn die Tage, wo der Rhein Niedrigwasser führt, die werden ja doch häufiger. Ich bin kein Hydrologe. Ich weiß aber, dass diese Fragen im Braunkohlenausschuss auch bei den unterschiedlichen Verfahren zu den Tagebaurestseen von allen Seiten abgeprüft werden. Und die Aussagen, die wir bisher in den Gutachten lesen, die sagen, dass im Jahresmittel immer gleich viel Wasser zur Verfügung steht, sodass, was man im Sommer eben nicht entnehmen kann, das kann man dann vielleicht im Herbst oder im Frühjahr mehr entnehmen, sodass die Befüllung der Tagebaue mit Wasser eben auch gewährleistet ist.
Torsten Knippertz: Eine Frage interessiert mich natürlich ganz besonders. Ab wann muss ich Badezeug mitnehmen? Ab wann kann ich reinspringen in den See und schwimmen?
Boris Linden: Ja, das ist eine gute Frage, weil 40 Jahre Befüllzeit für diesen See, das hört sich immer so wahnsinnig lang an. Aber man muss da immer dazu sagen, die Seemulde hat ja eine Trichterform. Und das heißt, dass es am Anfang, die ersten Jahre, sehr, sehr schnell geht mit der Seebefüllung. Und später kann man es kaum mehr mit dem bloßen Auge erkennen, dass der See noch weiter ansteigt. Das heißt, nach zehn Jahren Befüllzeit haben wir schon einen See von 1.200 Hektar und 200 Meter Tiefe. Und das ist so der Zeitpunkt, wo wir die ersten wasserbezogenen Zwischennutzungen planen. Deswegen müssen wir jetzt auch bei der Verkippung bereits diese sicheren Seezugänge einplanen, sodass man ab 2040 schon eine Wasserfläche von 1.200 Hektar hat und einen See von 200 Meter Tiefe. Das heißt, ab diesem Zeitpunkt kann man die Wasserfläche tatsächlich nutzen, für wasserbezogenen Sport beispielsweise. Und wir planen jetzt die sicheren Seezugänge, damit diese wasserbezogene Nutzung dann auch stattfinden kann.
Torsten Knippertz: Aber 200 Meter tief? Und eben haben Sie gesagt, das Loch ist, glaube ich, 400 Meter tief. Und das heißt, irgendwann wird man einen See haben, der 400 Meter tief ist?
Boris Linden: 360 Meter. Das ist am Ende die Seetiefe.
Torsten Knippertz: Da freuen sich die Taucherinnen und Taucher.
Boris Linden: Ja, das wird ein Rekord.
Torsten Knippertz: Jetzt gibt es noch einen anderen Aspekt, den wir noch nicht angesprochen haben bei den konkreten Projekten. Aber ich denke mir, dass auch darüber sich Gedanken gemacht werden. Zum Beispiel, welche neuen Arten von Arbeitsplätzen sind geplant, wenn welche geplant sind?
Boris Linden: Ja, unbedingt. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Ich hatte es eingangs gesagt, Arbeitsplätze und Wertschöpfung gehen verloren und wir haben die Aufgabe, diese auch zu kompensieren. Es gibt einen Ort in unserem Braunkohleplan, das sind die Tagesanlagen und der Kohlenbunker, die liegen auf Niederzierer Gebiet. Das sind etwa 120 Hektar, die versiegelte Fläche sind – also hier braucht man nichts neu zu versiegeln – und die man nach der Tagebautätigkeit einer Folgenutzung zuführen kann. Und hier planen wir derzeit die Folgenutzung zusammen mit RWE, zusammen mit dem Land Nordrhein-Westfalen und wollen hier einen gewerblichen Schwerpunkt setzen. Auf 120 Hektar, wenn man das klug plant, auch etwas dichter, vielleicht etwas höher, dann ist hier, glaube ich, ein Vielfaches von den Arbeitsplätzen möglich, die derzeit der Tagebau Hambach bietet. Das sind ungefähr 2.000 Arbeitsplätze und auf 120 Hektar, denke ich, kann man ein Vielfaches davon schaffen.
Torsten Knippertz: 2.000 Arbeitsplätze? Und in welchen Branchen? Gibt es da schon eine Vorstellung, was das für Arbeitsplätze sein können?
Boris Linden: Nein, wir machen jetzt im Moment die Strukturplanung. Das heißt, wir legen die Nutzungsschwerpunkte innerhalb dieser 120 Hektar fest, die Entwicklungsreihenfolge, wann welche Bauabschnitte baureif werden und die Profilierung erfolgt dann zu einem späteren Zeitpunkt.
Torsten Knippertz: Wird später noch irgendetwas an den Tagebau erinnern, außer der See vielleicht, wenn man es dann seinen Kindern und Enkeln erzählt?
Boris Linden: Also es ist tatsächlich so, wir haben ja eine lange Geschichte im Rheinischen Revier von Tagebauen, auch von kleineren Gruben, die schon lange rekultiviert sind, wo es schon die Seen gibt. Und wenn man da so durchspaziert, sind das tolle Landschaften geworden. Aber man kann es gar nicht mehr richtig erspüren, dass da mal Tagebau gewesen ist. Und das ist ein Ziel von uns, dass wir doch noch die einen oder anderen Relikte zeigen und daran erinnern, dass das hier eine menschengemachte Folgelandschaft ist und warum. Und deswegen planen wir Besucher- und Informationszentren, also sowohl auf der Sophienhöhe als auch an der Uferkante in Elsdorf. Und wir hegen die Hoffnung, dass wir auch von den Großgeräten, also vielleicht einen Absetzer und einen Bagger, noch ausstellen können. Das ist nicht so trivial, aber da wollen wir jetzt Konzepte erarbeiten, um das eben auch zu ermöglichen.
Torsten Knippertz: Und vielleicht, wenn ich nochmal bei den Kindern und Enkeln bleibe, kann man dann zeigen, so wurde früher Energie produziert und – ich weiß ja nicht, was für Branchen oder was für Unternehmen sich dann dort ansiedeln, vielleicht sind da welche bei, die erneuerbare Energien anbieten oder sich damit beschäftigen – und man sagt dann, so wird es heute gemacht.
Boris Linden: Ja, und ich glaube, man wird das sehen können, denn das Ziel ist ja, die Zeit der Seebefüllung – und das sind ja 40 Jahre – zu nutzen, um auf den oberen Bermen der Seemulde Photovoltaik großflächig auch auszubringen. Das heißt, man wird in die Seemulde schauen, unten kommt das Wasser und oben wird erneuerbare Energie produziert. Und dann hat man tatsächlich genau diesen Kontrast.
Torsten Knippertz: Wäre das ein Wunschbild, wenn Sie – okay, das liegt noch in weiter Ferne – aber, wenn Sie dann irgendwann mal in Rente gehen und sehen, das war der Zukunftsraum, der jetzt dann mittlerweile Gegenwart ist. Wenn Sie dann da stehen und das sehen, sagen Sie, ja, haben wir gut gemacht? Oder was muss dastehen, damit Sie sagen, haben wir gut gemacht?
Boris Linden: Also es müssen jetzt Projekte in die Umsetzung gehen und das ist ja das Ziel. Deswegen bin ich von der Zukunftsagentur zu einem konkreten Projektentwickler, Neuland Hambach, gewechselt, um eben die konkreten Projekte in die Umsetzung zu bringen. Und damit möchte ich gar nicht warten, bis ich irgendwann mal in die Rente gehe, sondern das soll jetzt in den nächsten Jahren peu à peu eben auch geschehen. Wir wollen die Besucher- und Informationszentren bauen und einweihen. Und wir wollen die Photovoltaikanlagen auf den Bermen wachsen sehen. Und wir wollen ein Konzept für die Kirche in Manheim sehen. Wir wollen sehen, dass Morschenich-Alt, dann Bürgewald, als neuer Ort entsteht und dass in den Tagesanlagen eine neue Nutzung einzieht. Und das alles ist dann das Konzert, dass am Ende das Tagebauumfeld Hambach als Folgelandschaft beschreibt.
Torsten Knippertz: Beteiligen sich denn eigentlich viele Menschen mit Ideen, Vorschlägen an dieser Zukunftsgestaltung?
Boris Linden: Ja, wachsend. Also man merkt, dass die Pläne, die wir zeichnen, mehr und mehr eben auch Aufmerksamkeit und Interesse erregen. Wir versuchen über Bürgerwerkstätten dazu eben auch in den Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern zu kommen. Und wir haben da schon tolle Veranstaltungen mit 90, 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gehabt und ja, das macht Freude.
Torsten Knippertz: Freude hat mir dieser Podcast gemacht. Ich hoffe Ihnen auch, Herr Linden!
Boris Linden: Ja, vielen Dank für die Einladung!
Torsten Knippertz: Und ich wünsche Ihnen bei allem, was Sie vorhaben, viel Glück! Drücke die Daumen, dass das ein großer Erfolg wird, dass das Rheinische Revier wird, wie wir uns das hier in den Revier.Geschichten ausmalen. Und ich freue mich auch, dass Ihr reingeklickt habt, dass Sie reingeklickt haben in die heutige Episode. Danke schön fürs Zuhören, gerne weitererzählen, abonnieren, liken und in den sozialen Netzwerken teilen. Und beim nächsten Mal freue ich mich, wenn Ihr wieder dabei seid, wenn es heißt Revier.Geschichten. Bis zum nächsten Mal! Tschüss!
Boris Linden: Tschüss!
Ton: Titelmusik der Revier.Geschichten
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